Von der Flüchtigkeit des Glücks Fotografien von Phillip Toledano

24. Mär 2016 - 25. Sep 2016

Eine Ausstellung des Hauses der Photographie / Deichtorhallen Hamburg zu Gast im Deutschen Hygiene-Museum

Einführung

Die Fotografien Phillip Toledanos beschäftigt sich mit Aspekten des Daseins, die  von  den  meisten  Menschen  gern  weiträumig  umschifft,  verdrängt oder gänzlich  ausgeblendet  werden:  mit  Alter,  Abschied  und  Sterblichkeit,  mit traumatischen  Erinnerungen  und  Quälenden  Zukunftsängsten  oder mit  der Veränderung  von  Menschenbildern  durch  die  fortschreitende  Entwicklung  der medizinisch-technischen Möglichkeiten.

Ausgehend  von  persönlichen  erfahrungen  sucht  toledano  die  Auseinandersetzung  mit  solchen  existentiellen  menschlichen  Fragen. Er stellt sich ihnen in sorgfältig inszenierten fotografischen Serien mit großer Ernsthaftigkeit,  aber  auch  mit  Selbstironie,  Imagination  und  Lust  am Spiel. Seine Fotografien  durchkreuzen  das  narzisstische  Streben  unserer  Zeit  nach  Erfolg, Macht, Schönheit und Konsum, indem sie diese Selbstdefinitionen und gesellschaftlichen  Normen  entweder  unterlaufen  oder  aber  wirkungsvoll überspitzen. Eine besondere Qualität seiner Fotografien liegt in ihrer subtilen  Bildmächtigkeit,  die  bei  ihren  Betrachtern  starke  Emotionen  auszulösen  vermag. Bei genauem Hinschauen fällt auf, dass fast alle Arbeiten Toledanos eine Gemeinsamkeit haben: sie erzählen von unserer Sehnsucht nach dem Glück – und von dessen Flüchtigkeit.

Phillip Toledano wurde 1968 in London geboren und lebt seit mehr als zwanzig  Jahren  in  New  York.  Seine  Arbeiten  wurden  in  zahlreichen  Einzel- und Gruppenausstellungen sowie auf Festivals gezeigt. Von der Flüchtigkeit des Glücks  wurde  2014  vom  Haus  der  Photographie  /  Deichtorhallen Hamburg konzipiert (Kuratorin: Dr. Sabine Schnakenberg).

Die Ausstellung präsentiert sechs Fotoserien mit insgesamt rund 160 Fotografien, die zwischen 2001 und 2015 entstanden sind, sowie Joshua Seftels Dokumentarfilm The Many Sad Fates of Mr. Toledano (2015).

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Fotoserien

Maybe, 2011 - 2015

Über vier Jahre hinweg beschäftigte Phillip Toledano sich obsessiv mit der Frage, wie seine eigene Zukunft aussehen könnte. Auf der Basis von DNA-Tests und gesprächen mit Psychologen und Wahrsagern entwarf er verschiedene Prognosen, mit denen er die Möglichkeiten des auf ihn zukommenden Alters  durchspielte.  Aufwendige  fotografische  Settings  und  kurze  Filmsequenzen zeigen den Künstler in der serie Maybe ausnahmsweise vor der Kamera. Unterstützt von Maskenbildnern und Schauspiellehrern tritt er die Flucht nach vorne an und inszeniert die eigene Persönlichkeit in Rollenbildern einer imaginierten Zukunft: als glamouröser High-Society-Partygast oder Pflegebedürftiger Greis oder als schwergewichtiger Geschäftsmann.




Days with my Father, 2006 - 2009

Tagebuchartig inszeniert und kommentiert Toledano in dieser serie Momente aus den letzten  drei Lebensjahren seines an Demenz erkrankten  Vaters. Es entstehen manchmal traurige, oft lustige und stets liebevoll-empathische Beobachtungen des Vaters und der eigenen Beziehung zu ihm. Dabei scheinen oft auch die Facetten einer vitalen, ehrgeizigen und attraktiven Persönlichkeit auf, die dem pflegebedürftigen und hilflosen Vater zunehmend verloren gehen.

 

Bankrupt, 2001 - 2003

Damals noch mit einer analogen Kleinbildkamera ausgestattet, streifte Toledano für sein erstes künstlerisches Projekt durch leer stehende Büroetagen  bankrotter Firmen in Manhattan. Die persönlichen Hinterlassenschaften der namenlosen Mitarbeiter, von denen diese Räume bevölkert scheinen, hauchen den verwaisten, im stillen Schwebezustand befindlichen Büros ein eigentümliches Leben ein.

When I was six, 2013-2015

Auch diese Serie geht von Toledanos eigener Biografie aus: Wie einen Film inszeniert er die vorsichtig tastende Wiederentdeckung seiner Schwester Claudia, deren früher Tod seine Kindheit und Teile seines erwachsenen Lebens als ein blinder Fleck begleitete. Die von Toledanos Eltern zurückgelassenen Dinge und seine eigenen bruchstückhaften Erinnerungen an die Schwester werden zu einer neuen, vollständigeren Version der eigenen Lebensgeschichte zusammengefügt.



A new Kind of Beauty, 2008-2010

Welche Schönheitsvorstellungen entwickeln sich mit den Möglichkeiten der plastischen Chirurgie? Ist die Gestaltung des eigenen Körpers ein Zeichen von Selbstbestimmung oder die Unterwerfung unter eine äußere Norm? Manche der hier Porträtierten streben eine alterslose Jugendlichkeit an, mit der die Sterblichkeit besiegt scheint, während andere ihre Körper offenbar vollkommen neu gestalten wollen. Auf den stark bearbeiteten Fotografien erinnern sie an marmorne Skulpturen oder altmeisterliche Porträts. Die Körpermodifikationen werden so mit dem jahrhundertealten  Wandel von Schönheitsidealen und Körperbildern kurzgeschlossen.

Phonesex, 2008 - 2009

Parallel zur Entstehung von Days With My Father arbeitet Phillip Toledano an einem Projekt über Telefonsex-Anbieter. Er besucht sie in ihren Privatwohnungen, die zugleich ihre Arbeitsplätze sind. Die Porträts erzählen von den Personen am einen Ende der Leitung, die während ihrer Arbeit unsichtbar sind und nur aus ihrer Stimme und der Illusion im Kopf der Anderen bestehen. Kurze Interviewsequenzen eröffnen erstaunliche Einblicke in ihr Selbstverständnis und ihre Kreativität, die grundlegend ist für den Aufbau der illusionären sexuellen Komplizenschaft mit den Kunden.

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