Tacheles zum Rassismus in Sachsen
Diskussion vom 31. Mai 2018
Kuratorin und Projektleitung: Susanne Wernsing
Architektur und Gestaltung: KÉRÉARCHITECTURE, Berlin www.kere-architecture.com
Wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. Christian Geulen (Universität Koblenz-Landau)
Projektteam: Dr. Tiphaine Cattiau, Rebekka Rinner, Volker Strähle
Filmkurator_innen: Mo Asumang, John Kantara, Barbara Lubich
Rassismus ist eine menschenfeindliche Ideologie und gleichzeitig eine alltägliche Praxis, durch die viele Menschen unter uns mit Diskriminierung und Gewalt konfrontiert sind. Aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Aussehens, ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer Sprache machen sie immer wieder erniedrigende Erfahrungen, die für andere Teile der Bevölkerung nur schwer vorstellbar sind. Rassismus verletzt aber nicht nur die Einzelnen, er widerspricht auch den Idealen menschlicher Gleichheit und Freiheit, die unserer demokratischen Gesellschaft zugrunde liegen.
Die neue Sonderausstellung fragt danach, welcher Zusammenhang zwischen dieser Form des Rassismus und dem Begriff der „Rasse“ selbst besteht. Dabei geht es weniger um die Geschichte dieses gefährlichen Wortes, das in unserer Gesellschaft inzwischen weitgehend geächtet ist, als um die Struktur und Wirkung dieser langlebigen Idee. Denn mit der Kategorie „Rasse“ werden nur scheinbar menschliche Unterschiedlichkeiten beschrieben, in Wahrheit dient sie dazu, politische, soziale und kulturelle Ungleichheit zu begründen.
Obwohl die Menschen überall auf der Welt ganz unterschiedlich aussehen – so etwas wie „Menschenrassen“ gibt es nicht. „Rassen“ sind eine wissenschaftliche Erfindung, die seit dem 18. Jahrhundert ihre unheilvolle Macht entfaltet hat. Die Ausstellung analysiert die Methoden, mit denen dieses Denken entwickelt wurde, und sie zeigt die Bilder und Medien, in denen sie sich verbreitet haben. Eine eigene Abteilung thematisiert die Rolle des Deutschen Hygiene-Museums als Propagandamaschine der sogenannten „Rassenhygiene“ während des Nationalsozialismus. Ein weiteres Kapitel ist der rassistischen Herrschafts- und Ausbeutungspolitik in der Epoche des Kolonialismus gewidmet, deren Folgen bis zu den Fluchtbewegungen unserer Tage nachwirken.
Neben dieser kulturhistorischen Betrachtung des „Rasse“-Begriffs, kommen in allen Abteilungen auch solche Persönlichkeiten und Bewegungen zu Wort, die sich kritisch und widerständig mit rassistischen Ideologien auseinandergesetzt haben. Zahlreiche Medienstationen, Interview-Filme und Video Installationen stellen aktuelle Themenfelder zur Diskussion: Alltagsrassismus, die Debatte um die Populationsgenetik, die Rückgabe von geraubten Kulturgütern oder die Herausforderungen einer postmigrantischen Gesellschaft.
Das Projektteam um die Kuratorin Susanne Wernsing wurde beraten von einer Arbeitsgruppe aus Expertinnen und Experten, die selbst über rassistische Erfahrungen verfügen; deren kritische Kommentare sind zu einem wichtigen Bestandteil der Ausstellung und des Katalogs geworden. Die Gestaltung der Ausstellung hat das Büro KÉRÉARCHITECTURE aus Berlin übernommen; der aus Burkina Faso stammende Architekt Diébédo Francis Kéré hat 2017 mit seinem spektakulären Pavillon für die Londoner Serpentine Galleries großes Aufsehen erregt.
Beiträge zum Nachhören
Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts war davon überzeugt, dass alle Menschen gleich seien. Tatsächlich aber wurden sie sehr unterschiedlich behandelt. Diesen Widerspruch versuchten Anthropologen, Ethnologen oder Biologen aufzulösen, indem sie sich mit den offensichtlichen Verschiedenheiten zwischen den Menschen beschäftigten. So entstanden wissenschaftliche Ordnungssysteme, von denen viele um den Begriff der "Rasse" kreisten. Er bezog sich nicht nur auf biologische Unterschiede, sondern behauptete auch, dass einzelne Menschengruppen höher stünden als andere und daher mehr Rechte hätten.
Wir sehen Unterschiede zwischen Menschen und glauben, "Rassen" zu erkennen. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde die Idee der "Rassen" vor allem in den Bildwelten von Publikationen und Ausstellungen verbreitet. Im Nationalsozialismus verbanden sich solche Darstellungen mit der Durchsetzung der Rassenpolitik. Auch das Deutsche Hygiene-Museum erreichte mit propagandistischen Ausstellungen zur "Volksgesundheit" eine große Öffentlichkeit. Im Dresdner Rathaus diffamierte bereits 1933 eine Ausstellung die Kunst der Moderne als "entartet" und 1939 unterstrich die "Deutsche Kolonialausstellung" in Dresden den Anspruch der Deutschen auf Kolonialbesitz.
Wenn wir uns vergewissern wollen, wer "wir" sind, richten wir den Blick häufig auf das, was uns fremd erscheint – auf "die Anderen". Um heute das "Abendland" zu bestimmen, sprechen wir von "Islam" oder "Orient", obwohl diese vermeintlich fremden Kulturen längst zu "uns" gehören. Dabei wirkt das Erbe des kolonialen Zeitalters nach, in dem die europäischen Großmächte die Welt unter sich aufteilten. Koloniale Gewalt und wirtschaftliche Abhängigkeiten gehören zur gemeinsamen Geschichte Europas und der einst besetzten Länder. Die Folgen treiben noch heute Menschen zur Flucht.
Heute zeichnet sich unsere Gesellschaft durch eine große kulturelle, religiöse und soziale Vielfalt aus. Viele Menschen blicken auf eine Migrationsgeschichte zurück. Trotz dieser seit langem geteilten Erfahrungen ist das Phänomen des Rassismus nicht verschwunden. Für die Betroffenen ist Rassismus eine bittere Realität – im Alltag, in der Schule und am Arbeitsplatz, in den Medien oder in der Politik. Und er existiert nicht zuletzt auch in unseren eigenen Köpfen. Wie kann es gelingen, solche diskriminierenden Denkstrukturen und Handlungsweisen abzubauen? Wie lassen sich Spielregeln für ein Zusammenleben entwickeln, in dem auch Konflikte fair ausgetragen werden?
Videomitschnitte weiterer Veranstaltungen finden Sie in unserer Mediathek.
Gefördert durch den Freistaat Sachsen im Rahmen des Landesprogramms Integrative Maßnahmen.
Die Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushalts.
Gefördert durch das lokale Handlungsprogramm für ein vielfältiges und weltoffenes Dresden
Gefördert vom
im Rahmen des Bundesprogramms
sowie vom Freistaat Sachsen
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