NEUE PERSPEKTIVEN AUF DAS LEBEN MIT TECHNIK
Eine Tagung zum Abschluss des Verbundprojekts ANTHROPOFAKTE. Schnittstelle Mensch. Kompensation, Extension und Optimierung der Technischen Universität Berlin und des Deutschen Hygiene-Museums
Das Forschungsprojekt „Anthropofakte“ analysiert anhand des umfangreichen Prothesenbestands in der Sammlung des Deutschen Hygiene-Museums die Schnittstelle zwischen dem menschlichen Körper und seinen technischen Erweiterungen. Im Zentrum steht die Frage, wie sich in diesen Übergangsobjekten der gesellschaftliche und kulturelle Wandel im 20. und 21. Jahrhundert ausdrückt und ablesen lässt.
Ein Beispiel für diesen Zusammenhang ist die aktuelle Debatte über unterschiedliche Formen der Körpermodifikation. So ermöglichen Prothesen und andere technische Hilfsmittel zweifellos die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben; umgekehrt können solche Objekte aber auch als Instrumente verstanden werden, mit denen Menschen an gesellschaftliche Normen angepasst werden. Und während sich manche durch die Aneignung von Hochtechnologien im positiven Sinne als hybride Maschinen-Menschen – als Cyborgs – wahrnehmen, darf nicht vergessen werden, dass nicht alle Zugang zu diesen Entwicklungen haben.
Die Tagung wird sich mit diesen widerstrebenden Perspektiven auf die technischen Erweiterbarkeiten des Körpers beschäftigen. Es geht ihr um eine Bestandsaufnahme und um eine Neuinterpretation des Technokörpers. Anhand von Fallbeispielen beschreibt sie den Eigensinn von Objekten der Körpererweiterung, zum anderen entwirft sie Bilder und Szenarien für ein gutes Leben, in dem auch technische Prothesen einen Platz haben können.
Die Tagung wird simultan in Gebärdensprache übersetzt.
17. MÄRZ, Donnerstag
14 Uhr
Begrüßung: Gisela Staupe, stellvertretende Direktorin, Deutsches Hygiene-Museum
Einführung in das Projekt „Anthropofakte“: Christoph Asmuth, Philosoph, Technische Universität Berlin
Einführung in die Tagung „Parahuman“: Karin Harrasser, Kulturwissenschaftlerin, Kunstuniversität Linz
1. PANEL
14:30 Uhr
Wissen wir, was ein Technokörper vermag? Zwischen Inklusion und Upgradekultur
Einführung und Moderation: Christoph Asmuth
Im Zentrum des Panels steht die Frage, wie sich das zeitgenössische Verhältnis von Körper und Technik unter den aktuellen ökonomischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen denken lässt. Wir wissen eben nicht so genau, was ein Technokörper vermag oder auch wie er sich den (widerstreitenden) Imperativen entziehen kann, da eine immer schmiegsamere, unauffälligere Einhegung des Körpers durch biopolitische Agenturen zu beobachten ist, andererseits aber die Vielzahl der involvierten technischen und humanen Akteure eine klare Ausrichtung der regulierenden und steuernden Prozesse verunklart. Deshalb ist zuerst ganz grundsätzlich zu klären, was wir von dem Technokörper wissen.
Un/Vermögen. Technizität und behinderte Körper
Klaus Birnstiel, Literaturwissenschaftler, Universität Basel
Objektvignette I
Pharmakon oder Symbiont, Pille oder Prothese. Zwei widerstreitende Versionen für den menschlichen Technokörper
Petra Gehring, Technische Universität Darmstadt
Der Körper in der Upgradekultur
Dierk Spreen, Soziologe, Universität Paderborn
18. MÄRZ , Freitag
2. PANEL
9 Uhr
Geräte zum Hören: Ko-Evolution, Teilhabe, Zumutung
Einführung und Moderation: Karin Harrasser
Am Beispiel der Diskussion um das Chochlea Implantats lässt sich zeigen, wie tief technisch-medizinische und kulturell-mediale Fragen ineinandergreifen: Eltern sind häufig dazu gezwungen für ihr Kind eine Entscheidung zu fällen, die auch beeinflusst, zu welchem Grad es Teil der Gehörlosenkultur sein wird. Diese verfügt über ein elaboriertes Kommunikations- und Zeichensystem, über ein hoch ausdifferenziertes Medium, das nun in Konkurrenz zu einer medizinisch-technischen „Lösung“ steht. Im Panel werden die unterschiedlichen Perspektiven differenziert dargestellt und Implikationen für Forschung und Alltagsgebrauch von Medien herausgearbeitet.
Das Versprechen des Cochlea-Implantats
Beate Ochsner, Literaturwissenschaftlerin, Universität Konstanz
Elektrisches Hören - Technik, Möglichkeiten und Grenzen von Cochlea-Implantaten
Jürgen Tchorz, Hörakustiker, Fachhochschule Lübeck
Objektvignette II
Auditiver Kolonialismus und Deaf Ethnicity
Ulrike Bergermann, Medienwissenschaftlerin, Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
3. PANEL
13:30 Uhr
Wie sprechen wir über Technologien? Wie blicken wir auf Körper?
Neue Erzählungen und Bilder von Körpern und Technologien
Lesung +++ Performance +++ Präsentation
Einführung und Moderation: Thomas Macho, Kulturwissenschaftler, Humboldt-Universität Berlin
Sowohl die Darstellung von Körpern, die aus dem „mittleren“ Bereich herausragen als auch die „monströsen Versprechungen“ von Technokörpern haben in der Kunst eine lange Tradition. Wir möchten uns auf die Suche nach neuen Erzählungen und Bildern machen; solche die teleologische Narrative meiden oder umschreiben und dafür eine genauen Blick auf das Gewirr der Akteure und Agenten lenken, die einen Körper im 21. Jahrhundert ausmachen. Das ist nicht immer Science Fiction fühlt sich aber häufig so an.
Writing Different Bodies: A Reading from the Book The History of My Shoes and the Evolution of Darwin's Theory
Kenny Fries, Autor und Publizist, Berlin
Performances und Präsentationen von:
VPerformance: der Borges effekt
Jakob Lena Knebl
Objektvignette III
Weil es geht - Body Hacking und Human Enhancement
Enno Park
Lecture-Performance: Verschränkungen von Gewicht
Zur Techno-Biopolitik von Apparaten körperlicher Produktion
hoelb / hoeb
Gespräch mit Thomas Macho