Werbefilm über gesunde Ernährung
Deutscher Fernsehfunk, DHMD
1965
In der Ausstellung VEB Museum konnten sich Besucher:innen auf eine Zeitreise in die Gesellschaft und Arbeitswelten des sozialistischen deutschen Staates begeben. Auch wenn das Deutsche Hygiene-Museum in der DDR im rechtlich-organisatorischen Sinne kein „Volkseigener Betrieb“ war, eignete es sich doch als Beispiel für eine solche Rückschau. Denn das Museum, das dem Ministerium für Gesundheitswesen der DDR unterstand, war damals viel mehr als ein klassisches Ausstellungshaus. Einerseits bestand es aus dem staatlich gelenkten Institut für Gesundheitserziehung und diente in Dresden gleichzeitig als ein äußerst populärer Veranstaltungsort. Andererseits war es mit dem Institut für biologisch-anatomische Unterrichtsmittel auch ein international aufgestellter Produktionsbetrieb, in dem rund 300 Werktätige arbeiteten.
Der Ausstellungsbesuch glich so einer etwas anderen Werksbesichtigung, in der es jedoch nicht allein um die Geschichte des Museums ging. Denn die von einer Filmausstatterin und einem Bühnenbildner inszenierte Ausstellung warf vor allem einen Blick hinter die Kulissen der DDR-Gesellschaft. Es ging dabei um die zentrale Rolle der Arbeitswelt für die Menschen und gleichzeitig um die Machtansprüche der SED, um die zunehmende Umweltverschmutzung in den 1980er-Jahren und den Protest dagegen, um die Freizeitangebote in den Wirtschaftsbetrieben, aber auch um den offiziellen und systemkritischen Kulturbetrieb. Mit anderen Worten: Um eine verschwundene Realität, die sich im Rückblick als herausfordernd, widersprüchlich und überraschend vielfältig erweisen sollte.
Diese Alltags- und Diktaturerfahrungen in der DDR stehen heute wieder im Mittelpunkt vieler gesellschaftlicher Debatten. Für alle Interessierten aus Ost und West bot die Ausstellung Anlässe zum generationsübergreifenden Austausch über das Leben im „real existierenden Sozialismus“ und über den Systemwechsel nach 1989. Zahlreiche Video-Interviews mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen innerhalb und außerhalb des Museums vermittelten individuelle Sichtweisen auf dieses wichtige Kapitel der deutschen Museums- und Zeitgeschichte.
Fotos: Anja Schneider / Katja Klose-Soltau
In der Ausstellung kamen ehemalige und aktuelle Mitarbeitende des Museums aus den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern zu Wort und schilderten ihre Erinnerungen an die DDR-Zeit und die Transformationsphase in den frühen 1990er Jahren. Darüber hinaus wurden auch Video-Interviews mit Dresnder:innen aus mirgrantischen Communities und Kulturschaffenden geführt, die über ihre Erfahrungen und Aktivitäten in der späten DDR berichteten.
Einen kleinen Einblick in die Begebenheiten, Eindrücke und Anekdoten, an die sich unsere Protagonist:innen besonders erinnerten, erhalten Sie hier:
Die Wanderausstellungen und Lehrmittel des Deutschen Hygiene-Museums wurden weltweit vertrieben und erwirtschafteten für die DDR Devisen in erheblicher Größenordnung. Die umfangreiche Produktpalette, die Besuche von Delegationen aus aller Welt und die Aktivitäten der „Reisekader“ des Museums werden vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Außenpolitik der DDR behandelt. Mit einem Exkurs über die internationalen Beschäftigten am Museum, Vertragsarbeiter:innen in Dresden und Studierende aus befreundeten Ländern werden ostdeutsche Migrationsgeschichten sichtbar, die bis in die Gegenwart reichen.
Die Leitungsstrukturen waren von den politischen Machtkonstellationen in der DDR geprägt. Wie groß war der Einfluss der SED? Welche Schnittstellen gab es zwischen dem Museum und dem Ministerium für Staatssicherheit? Wo verliefen Grenzen und welche Freiräume konnten genutzt werden? Am Beispiel der Umweltverschmutzung wird gezeigt, wie das DHMD Themen aus politischen Gründen fallen ließ, die dann außerhalb des Museums mit zivilgesellschaftlichem Engagement behandelt wurden. Schließlich wird auch die Improvisations- und Reparaturkultur in der DDR in den Blick genommen, mit der angesichts der verbreiteten Materialknappheit nicht nur der Betrieb des DHMD am Laufen gehalten werden konnte. Die Belegschaften verfügten durch solche Kompetenzen über eine erhebliche Machtposition jenseits des offiziellen Hierarchiegefüges.
In dieser Abteilung werden die Produktionsbedingungen und Arbeitsabläufe in den Werkstätten und Ateliers des Museums für das Publikum lebendig. Mit welchen Ressourcen wurden hier welche Produkte entwickelt und seriell hergestellt? Was prägte die sozialistische Arbeitskultur? Welchen gesellschaftlichen Stellenwert hatte die Qualität der Produkte? Die Ausstellung erläutert Prozesse, Materialien und Wissen der verschiedenen Gewerke und stellt einige der damaligen Beschäftigten vor.
Größere Produktionsbetriebe der DDR verfügten über ein eigenes Veranstaltungshaus für ihre Belegschaft, deren Familien und andere Interessierte. Auch das damalige DHMD kann als ein solches „Klubhaus“ verstanden werden: In seinen Räumlichkeiten wurden nicht nur staatstragende Veranstaltungen abgehalten oder Gesundheitsaufklärungskampagnen vorgestellt, hier fanden auch unterschiedlichste kulturelle und gesellige Unternehmungen statt wie Schreibzirkel, Singeclubs oder Faschingsfeiern. Über diese Aktivitäten innerhalb des DHMD hinaus wird die offizielle, aber auch eigensinnige Klubkultur der DDR vorgestellt. Beispielhaft erinnert die Ausstellung an einige der prägenden Kulturereignisse im Dresden der 1980er Jahre.
Die Folgen der Wiedervereinigung schnitten auch tief in die Lebensläufe vieler Beschäftigten des DHMD ein. Mit der Auflösung der Produktion und Schließung verschiedener Abteilungen stand kurzzeitig sogar das Weiterbestehen des Museums in Frage. In der Zusammenarbeit erfahrener und neuer Mitarbeiter:innen konnte der Ausstellungsbereich neu ausgerichtet und die Grundlage für die erfolgreiche weitere Entwicklung des Hauses gelegt werden.
Carsten Schneider,
Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland
Sandra Mühlenberend
Susanne Wernsing
Rebekka Rinner, kuratorisch-wissenschaftliche Projektassistenz
Si Cao, Beauftragte 360° - Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft
Thi Nga Nguyen, Werkstudentin
Friederike Kantzenbach, Praktikantin
Susanne Hopf, Szenenbildnerin
Mathis Neidhardt, Bühnenbildner
Michael Birn, Bildender Künstler und Szenograf
Andreas Borchert, Mahmoud Dabdoub, Ingrid Griebel-Zietlow, Harald Hauswald, Thomas Heise, Martin Hoffmann, Eva Schulze-Knabe, Künstlergruppe Erfurt, Simon Menner, Willi Neubert, Alexander Neumann, Yael Reuveny, Andreas Rost, Ilse Ruppert, Annette Schröter, Maria Sewcz, Willi Sitte, Hartmut Staake, Jenny Wiegmann-Mucchi, Jürgen Wittdorf