Einführung
Der Tod ist ein universelles und uraltes Thema der Kunst. Die Geschichte des Bildes ist eng mit der Idee des Festhaltens der Gesichtszüge Verstorbener verknüpft. So gelten die Furcht vor dem Tod und die Lust am Sehen und Erkennen als wichtige Triebfedern menschlicher Kultur.
In der zeitgenössischen Kunst zeichnen sich zwei Extreme ab: Entweder wird das Ritual, das von der Religion an professionelle Dienstleistungserbringer oder an die Medien abgegeben wurde, von der Kunst zurückerobert und mit ihren Mitteln neu inszeniert und ausgebaut, oder die Künstler bringen die unerwünschte Leiche wieder in unser Blickfeld zurück und führen auf oft sehr direkte Art vor, dass die physische Existenz nach dem Tod weitergeht.
Six Feet Under vereinte Arbeiten, die teilweise speziell für die Ausstellung geschaffen wurden, mit Werken aus der Sammlung des Kunstmuseums Bern, aus anderen Museen und Galerien sowie aus privaten Sammlungen. Das Hauptgewicht lag auf zeitgenössischer Kunst aus verschiedenen Kontinenten, aus Großbritannien, Frankreich, der Schweiz, USA, Mexiko, Japan, Indonesien oder Ghana. Die Ausstellung stellte so historische und geografische Verknüpfungen zu einem Thema her, das uns alle betrifft.
Abteilungen
1. Leichen, Totenköpfe und Skelette
Jede Zeit und jede Kultur hat sich ihr Bild vom Tod gemacht und es durch künstlerische Darstellungen überliefert. Ausgehend von den mittelalterlichen Totentänzen haben Skelette und Schädel als Personifikationen des Todes und als Memento mori in die Kunst Einzug gehalten und sich als Motive meist ohne ihr christliches Bezugssystem bis heute behauptet. Ebenso war das Bild des menschlichen Leichnams lange Zeit der Darstellung des toten Christus oder der Grabmalskunst vorbehalten. Dieses hatte nur in Ausnahmen, etwa anatomischen Wiedergaben, Eingang in die Kunst gefunden. Ein radikaler Tabubruch vollzieht sich in der Gegenwart. Hier werfen die Künstler mit ihren sehr individuellen Ansätzen ein neues Licht auf das Todesthema.
2. Särge, Gräber und Tränen
In keiner Zivilisation bleiben die Toten bei den Lebenden. So haben sich über die Jahrtausende je nach kulturellem Kontext sehr unterschiedliche Bestattungskulturen entwickelt, die den Übergang von der einen in eine andere Welt markieren. Diese Übergänge sind mit äußerst komplexen, zumeist religiösen Traditionen entstammenden Trauerritualen verbunden. Was bleibt, sind Grabstätten oder Monumente, die das Andenken der Verstorbenen aufrechterhalten. Heute entwickeln sich vor allem in unserer mobilen westlichen Welt neue Bestattungsformen, die immer mehr von Dienstleistern übernommen werden und als eine Konsequenz von Verdrängung und Anonymisierung, aber absoluter Individualisierung gelten können.
3. Der Tod des Künstlers
Die Todessehnsucht der Künstler ist ein romantisches Thema des 19. Jahrhunderts. Oft genug ist sie durch Suizid auch Realität geworden. Doch auf ganz unterschiedliche Weise taucht der Tod des Künstlers als Thema bis heute immer wieder auf. Die Frage nach seiner Stellung in der Welt oder Zweifel am Sinn des eigenen künstlerischen Wirkens sind dabei ebensolche Triebkräfte wie das neugierige Interesse an der eigenen Beerdigung: Wer würde am Grab stehen? Wer wäre erschüttert? Was, wenn der eigene Tod wieder rückgängig gemacht werden könnte?
4. Tod und Lifestyle
Im New Romanticism der 1980er Jahre, die sich als Gegenbewegung zum Punk verstand, lebte die verklärte Sehnsucht nach dem Tod, wie wir sie aus Romanik oder Symbolismus kennen, erneut auf. Sie wurde Teil der Jugendkultur. Man interessierte sich für mystische Götterkulte, beschäftigte sich mit Tod und Vergänglichkeit und suchte Zuflucht im Romantischen und Idyllischen. Seiner christlichen Symbolik entkleidet, wurde der Totenschädel hier zum dekorativen Element und Modeaccessoire. Vor allem im Internet entwickelte sich in der Folgezeit ein reger Devotionalienhandel.
5. Hommagen
Hommagen Ehrenbezeugungen für prominente öffentliche Personen, private Huldigungen an verehrte oder geliebte Menschen waren bereits in der Antike Gegenstand der Kunst. Seit dem Mittelalter dienten auch Totenporträts dem ehrenden Andenken von Verstorbenen. Dass Künstlerinnen und Künstler in Totenporträts aus eigenem Antrieb heute auch ihre privaten Beziehungen thematisieren, ist eine Spätfolge der Säkularisierung nach der Französischen Revolution, die das Individuum in existenziellen Fragen auf sich selbst zurückgeworfen hat.
6. Nachleben
Der Tod ist das absolute Ende der physischen Existenz eines Menschen. Möglicherweise ist er aber auch ein transistorischer Zustand zu anderen Lebensformen: Zu Auferstehung, Reinkarnation, Seelenwanderung oder in jüngster Zeit auch zum Weiterleben durch Digitalisierung. Die Toten selbst leben fort in Bildern, Büchern, Träumen, Erinnerungen, Legenden, Denkmälern, Häusern oder Gräbern. Sie sprechen zu den Lebenden, solange sie in deren Bewusstsein einen Platz haben.
Rundgang
Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und mit freundlicher Unterstützung der schweizer Kulturstiftung prohelvetia