Der Große Saal Drei Epochen, drei Versionen

Der Große Saal war von dem Architekten Wilhelm Kreis für eine Vielzahl verschiedener Veranstaltungen konzipiert worden. Von der Wandelhalle aus führten an der Längsseite vier Eingänge in den Saal. An der gegenüberliegenden Westseite befand sich mittig eine 14,5 m x 6,5 m große Raumöffnung mit einem farbigen Bleiglasfenster. Dieses enthielt ein rundes Emblem und eine Inschrift: Dem Begründer des Deutschen Hygiene-Museums Karl-Aug. Lingner 1930. Gewidmet von seinen Freunden.
 


Die Wände des Großen Saales waren mit Kunstleder ausgeschlagen. An der nördlichen schmalen Seite befand sich eine Orchesterbühne. Die Rückseite der gebogenen Bühnenwand war mit Strohgeflecht verkleidet. Es diente akustischen Zwecken und erzeugte gleichzeitig auch einen besonderen raumkünstlerischen Eindruck.

Die Wandelhalle ist bis heute über zwei Treppenhäuser zu erreichen. Mit ihren großen Fenstern bietet sie als einziger Raum des Hauptgebäudes einen Blick auf den Vorplatz des Museums, der sich nach Osten hin zur Hauptallee des Großen Gartens weitet. An der Nord- und Südseite befanden sich ursprünglich farbige Bleiglasfenster, die gestalterisch an das Fenster im Großen Saal anknüpften. Diese Ästhetik setzte sich auch in den Fenstern im gesamten Treppenhaus fort.
 


Der Fußboden der Wandelhalle bestand aus verschiedenfarbigen steinernen Platten. Die Wand mit den Türen war mit schmalen, raumhohen Leuchten und einem farbigen Sockel in Höhe der oberen Türabschlüsse ausgestattet. Neben den Türen standen auf schmalen Sockeln die Büsten berühmter Medizinier und Hygieniker, weswegen die Wandelhalle auch als „Ehrenhalle“ bezeichnet wurde.

Nach den schweren Kriegszerstörungen von 1945 wurde entschieden, im Rahmen des Wiederaufbaus einen Kongress- und Festsaal zu schaffen, der auch als Ersatz für die zerstörten Spielstätten der Dresdner Orchester dienen sollte. 1955 beauftragte das Museum den Architekten Alexander Künzer und den Oberbauleiter des Museums Hans-Werner Otto damit, in der Bundesrepublik neu errichtete Konzertsäle zu besichtigen. Neben der architektonischen Gestaltung war auch deren moderne technische Ausstattung von großem Interesse. Nach ausführlicher Analyse dieser Neubauten wählte man den Saal der Stuttgarter Liederhalle (Adolf Abel und Rolf Gutbrod, 1955/56) als Vorbild für Dresden aus. Der von Künzer entworfene und 1958 eröffnete Kongresssaal erhielt eine geschwungene Empore, die sich auch in ihrer Bauweise am Stuttgarter Beispiel orientierte. Ihre Balustrade wurde von dem Dresdner Künstler Wilhelm Lachnit mit einer ornamentalen Malerei versehen. Das Motiv des Auges, das zugleich das Logo des Museums darstellte, wurde hier kunstvoll integriert.
 


Auch die vor dem Großen Saal liegende Wandelhalle wurde nach 1955 umgestaltet. Über einen geschwungenen schmalen Balkon, der von einem Treppenaufgang erschlossen wurde, konnten die Besucher:innen den Rang des Saales jetzt direkt von der Wandelhalle aus betreten.
 


Die Urheberschaft der 1945 zerstörten farbigen Bleiglasfenster in den Treppenhäusern ist nicht überliefert. 1947 wurden sie in freier Anlehnung an die ursprünglich rein geometrische Gestaltung von dem Dresdner Künstler Richard Morgenthal neu entworfen. Auf beiden Fenstern sind überlebensgroße Akte und sprudelnde Quellen zu sehen. Im südlichen Fenster wird die Wissenschaft durch Eule und Buch symbolisiert, im nördlichen die Gesundheit durch Schlange und Kelch. Im Rückgriff auf das klassische Kulturerbe transportieren Zitate von Goethe und Schiller programmatische Botschaften des Museums. Die glaskünstlerische Umsetzung führte die Dresdner Firma Horst Heymann aus.

Die Gestaltung des heutigen Großen Saales durch das Architekturbüro Peter Kulka, das von 2000 bis 2010 mit der Generalsanierung des Hauses beauftragt war, wurde nach eingehender Prüfung durch das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen genehmigt. Dazu musste der Kongresssaal aus den 1950er-Jahren vollständig zurückgebaut werden, weil er die statischen und brandschutz­technischen Sicherheitsvorgaben in Konstruktion und Ausbau nicht mehr erfüllte.

Der minimalistisch gestaltete Saal von Peter Kulka orientiert sich wieder am historischen Vorbild von Wilhelm Kreis. Die hölzerne Wandverkleidung in korallenroter Farbgebung stellt eine moderne Interpretation des ursprünglichen Raumkonzepts dar. Durch mobile Bestuhlung und eine flexible Tribünenkonstruktion können unterschiedlichste Veranstaltungsformate realisiert werden. Auch die Wandelhalle zeigt wieder das zurückhaltende Erscheinungsbild der Entstehungszeit, wobei auf eine farbliche Wandgestaltung verzichtet wurde. Die Büsten der ehemaligen „Ehrenhalle“ befinden sich inzwischen im Sammlungsdepot des Museums.