Schwarzweißes Foto im Hintergrund mit dem Museum von vorn. Im Vordergrund stehen links und rechts Bäume.

Ein Museumsbau der Weimarer Republik Zur Architektur des Deutschen Hygiene-Museums

Das Deutsche Hygiene-Museum wurde 1912 von dem Odol-Fabrikanten Karl-August Lingner als ein Museum ohne eigenes Gebäude gegründet. Nachdem ein erster Wettbewerb 1919 zu keinem Ergebnis gekommen war, wurde der Architekt Wilhelm Kreis 1926 mit dem Entwurf eines modernen Museumsgebäudes betraut.

Wilhelm Kreis war als junger Architekt mit den sogenannten Bismarcktürmen bekannt geworden und hatte dann im Kaiserreich u. a. das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle/Saale und zahlreiche große Kaufhäuser errichtet. Für die Aufgabe in Dresden hatte er sich durch die Bauten für die bahnbrechende Düsseldorfer Ausstellung Ge-So-Lei (Gesundheit – Soziale Fürsorge – Leibesübungen) empfohlen, die bis heute am Rheinufer erhalten sind. Das Dresdner Museum wurde bis 1930 am Rande der Altstadt im Park der barocken Sekundogenitur errichtet. Es bot nicht nur Räume für Ausstellungen, Verwaltung und Werkstätten, sondern mit dem Kleinen und Großen Saal auch Möglichkeiten für kulturelle und wissenschaftliche Veranstaltungen. Die Architektur spiegelte damit eindringlich die Konzeption des Hauses als Museum und Volksbildungseinrichtung wider.

 

 

Stilistisch vereinigte das Gebäude die klaren, ornamentlosen Formen der Neuen Sachlichkeit mit einem konservativen und monumentalen Gesamteindruck, der in Teilen die Formensprache späterer Architekturen des Nationalsozialismus vorwegnahm. Für den modernen Museumsbau setzte es jedoch Maßstäbe mit seiner neuartigen Heizungsanlage und dem Prinzip der Lichtdecke im Obergeschoss. Eine weitere Besonderheit waren die integrierten Kunstwerke, die eigens für dieses Gebäude entworfen wurden. Das große Wandgemälde Der Bau des Deutschen Hygiene-Museums, mit dem der Maler Otto Dix die Gaststätte des Museums ausgestattet hatte, wurde von den Nationalsozialisten unmittelbar 1933 zerstört. Die Skulptur der Hygieia, die der Bildhauer Karl Albiker für den kriegszerstörten Schmuckhof geschaffen hatte, ist heute im Großen Innenhof des Museums aufgestellt.

 


Wilhelm Kreis bediente sich später der Architektursprache der Nationalsozialisten und fand damit Aufnahme in die berüchtigte Liste der „Gottbegnadeten“. In Dresden-Strehlen ist aus dieser Zeit das Gebäude des Luftgaukommandos (1936/38) erhalten. Nach 1945 entwarf Kreis in Westdeutschland Geschäftsbauten im Stil der Nachkriegsmoderne.
 

Bei den Bombenangriffen auf Dresden 1945 wurde das Museumsgebäude schwer getroffen und zu rund 80 Prozent zerstört. Foto 03 Der rasche Wiederaufbau in der unmittelbaren Nachkriegszeit verzichtete auf die Rekonstruktion der Bebauung des Innenhofs und fügte in die Empfangshalle den sogenannten Steinsaal ein. Bis 1958 errichtete der Architekt Alexander Künzer im Hauptgebäude den repräsentativen Kongresssaal, der bis ins Jahr 2000 für zahlreiche Veranstaltungen genutzt wurde.
 

 

1952 wurde in der DDR im Kontext des sozialistischen Aufbaus ein Gesetz erlassen, das die Entstehung von baubezogenen Kunstwerken in Verwaltungs‐, Kultur‐ und Sozialbauten förderte. Vor diesem Hintergrund wurde auch beim Wiederaufbau des Hygiene-Museums und der Veränderung des Raumprogrammes eine künstlerische Ausgestaltung geplant. Die Wandbilder der 1950er-Jahre nahmen allerdings keinen engen Bezug zur Architekturkonzeption von Wilhelm Kreis, sondern schmückten formal „freie“ Wände.
 


Schon Ende der 1980er-Jahre war unübersehbar, dass das Museumsgebäude grundlegend saniert werden musste. Foto 04 In einer ersten Phase entstand bis 1996 im KopfbauSüd nach Plänen des Architekturbüros Coop Himmelb(l)au (Wien/Los Angeles) ein Veranstaltungs- und Seminarbereich, der sich mit einem gläsernen Einschnitt durch die gesamte Fassade zum Vorplatz hin öffnet; mit diesem markanten Eingriff sollte der monumentale Gesamteindruck des Gebäudes architektonisch „dekonstruiert“ werden. 

Von 2000 bis 2011 erfolgte dann die Sanierung und Modernisierung des gesamten Museumsgebäudes. Ihre mit dem Landesamt für Denkmalpflege Sachsen abgestimmte Leitlinie bestand darin, das Erscheinungsbild von 1930 und die ursprüngliche Konzeption des Hauses weitgehend wiederherzustellen. Foto 05 Einzelne nachträglich geschaffene Räume, wie beispielsweise die Bibliothek der 1950er-Jahre, oder architekturbezogene künstlerische Arbeiten, wie die Löwen von August Gaul im Windfang oder die Glasfenster von Richard Morgenthal im Treppenhaus, wurden jedoch als Zeitdokumente erhalten. Das Architekturbüro Peter Kulka hat im Rahmen dieser Generalsanierung u. a. die Empfangshalle neu erschlossen und geöffnet, Räume für Shop und Gastronomie geschaffen und den Kongresssaal der 1950er-Jahre durch den modernen Großen Saal ersetzt. Weitere markante Arbeiten von Peter Kulka in Dresden sind der Neubau des Sächsischen Landtages oder der Kleine Schlosshof und der Riesensaal im Residenzschloss.