Einführung
Seit der Antike galt Freundschaft als die erstrebenswerteste Form des Sozialen, bis sie im Laufe des 19. Jahrhunderts in den westlichen Gesellschaften vom Ideal der bürgerlichen Liebesbeziehung abgelöst wurde. Und heute? Angesichts einer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Dynamik, in der dauerhafte Bindungen objektiv immer schwerer einzugehen sind und subjektiv oft gar nicht mehr gewünscht werden, kommt der Freundschaft eine neue Bedeutung zu. Denn neben den verbindlicheren sozialen Beziehungen wie Liebe und Verwandtschaft oder den Absicherungen des Wohl fahrtsstaats verspricht sie uns ein weiteres Netz der Solidarität. Dabei ist sie stabil genug, um uns Vertrauen und Nähe zu bieten, und doch so dehnbar, dass sie unserem Bedürfnis nach Unabhängigkeit Raum lässt. Gegenwärtig wird aber auch darüber geklagt, dass der Begriff Freundschaft zu gedankenlos benutzt und hemmungslos kommerzialisiert wird. Was bedeutet es, wenn man sich in sozialen Netzwerken ganze Hundertschaften angeblicher Freunde zusammenstellen kann? Rutscht hier eine Generation in Oberflächlichkeit ab? Oder übersieht eine solche besorgte Einschätzung die ungekannten Möglichkeiten digitaler Kommunikation?Jenseits allzu schneller Gewissheiten fragt die Ausstellung danach, was die verschiedenen Konzepte von Freundschaft ausmacht und was sie bedeuten – für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt. Ist ein Freund derjenige, der einen ohne Wenn und Aber unterstützt – oder ist er derjenige, der einen in Frage stellt? Sind Freunde nützlich – oder spielen Nützlichkeitserwägungen in einer Freundschaft gerade keine Rolle? Ist Freundschaft so intensiv wie die Liebe – nur eben ohne Sex? Oder ist Freundschaft gar nicht zu greifen und immer wieder etwas ganz anderes – in jeder Epoche und Kultur, in unterschiedlichen Milieus und Gesellschaftsschichten und für Männer und Frauen sowieso?
Abteilungen
Die Ausstellung ist gegliedert in fünf Abteilungen, in denen die spezifischen Möglichkeiten unterschiedlicher Ausstellungstypen durchgespielt werden: Es beginnt im Schaudepot einer klassischen Objektausstellung, dann folgen ein textintensiver Raum wie in einem Literaturmuseum, eine von starken optischen Reizen geprägte Gemäldegalerie und ein karger White Cube zeitgenössischer Kunstpräsentation, eine begehbare Erlebniswelt und abschließend ein spekulativer Blick in die Zukunft der Freundschaft. In diesen inhaltlich und gestalterisch abwechslungsreichen Ausstellungsparcours ist eine Objektspur integriert, die speziell für Kinder entwickelt wurde. Auf ihr können die jüngsten Besucher von Exponat zu Exponat ihren eigenen Zugang zur Welt der Freundschaft entdecken. Eine reizvolle Besonderheit der Ausstellung besteht darin, dass die Besucher neben den konventionellen Objektbeschriftungen zu ausgewählten Exponaten auch eigene, auf ihr zuvor ermitteltes Persönlichkeitsprofil zugeschnittene Informationen erhalten. Diese individualisierten texte bieten eine erste Orientierung in der großen Fülle der Objekte. Sie vertreten dabei subjektive Standpunkte und verhalten sich somit wie ein Freund, dessen Interessen und Meinungen man teilt. Die individualisierten Texte liefern also eine Option, wie man die Dinge sehen kann. Aber wäre es nicht auch spannend zu erfahren, welche abweichenden Sichtweisen es gibt? Dazu müsste man einen Blick über die Schulter eines anderen Besuchers riskieren, der gerade seinen eigenen Objekttext liest.
Befreundete Staaten
Eine Ausstellung anlässlich des 66. Jubiläums der Bundesrepublik Deutschland
Was ist ein passendes Geschenk unter Freunden? Diese Frage stellt sich nicht nur im Privaten, sondern auch im offiziellen Austausch zwischen Staaten. In einem Schaudepot sind Geschenke und Gegengeschenke versammelt, die Deutschland über die Jahre mit zehn mehr oder weniger befreundeten Staaten quer über den Globus ausgetauscht hat. Deutlich wird: Staatsgeschenke sind nicht nur diplomatische Gesten der Höflichkeit, sondern erzählen auch etwas über die politische Lage, in der sie ausgewählt wurden.
Verbriefte Freundschaft
Eine Ausstellung über die Gründe und Abgründe der Freundschaft
In früheren Jahrhunderten waren es die teils umfangreichen Briefwechsel, in denen sich Freunde einander mitteilten. Man bestärkte sich wechselseitig in seinen Ideen und Lebensentwürfen und knüpfte neue Kontakte. Einblicke in einige charakteristische Korrespondenzen dokumentieren aber auch Konflikte um politische und moralische Überzeugungen oder um die intellektuellen und emotionalen Ansprüche aneinander – von Gleim und Klopstock über die Gläserne Kette oder die Mitglieder der RAF bis hin zu Uwe Johnson und Hans Magnus Enzensberger.
Echt oder unecht ?
Eine Ausstellung über die Freundschaft im Bild
Dicht gehängt bis unter die Decke präsentiert diese Abteilung Werke der Malerei aus fünf Jahrhunderten. Wie kann man der Besonderheit einer Freundschaft im Bild Ausdruck verleihen? Lassen sich das wechselseitige Vertrauen und die Intensität einer Beziehung sichtbar machen? Oder umgekehrt: Wie zeigt man berechnende Seilschaften oder zerbrechende Freundschaften? Wie unterscheidet man bei Freundschaft echte von unechten? Letzteres ist in dieser Gemäldegalerie ganz einfach – bei den Kunstwerken handelt es sich (fast) ausschließlich um Reproduktionen!
Erlebniswelt Freundschaft
Die Ausstellung zum Anfassen
Bis heute prägen historisch überlieferte Muster unsere Vorstellungen davon, was eine Freundschaft ausmacht. Daran erinnern die stilisierten Denkmäler, zwischen denen sich die Besucher in dieser Abteilung bewegen. Sie begegnen Gilgamesch und Enkidu – dem ältesten aller europäischen Freundespaare – Marx und Engels, Sportsfreunden und Amigos, Kriegskameraden oder Gangmitgliedern. Daneben vermittelt eine raumgreifende Info-Station aktuelle Forschungsergebnisse: Freundschaften bewegen sich heute zwischen Regeln und Ritualen, zwischen Spontaneität und dem Gesetz des Zufalls, und sie werden zunehmend auch zielgerecht mit den Möglichkeiten moderner Kommunikationsmedien gesteuert.
Friendship
Do it yourself
Wohin werden sich unsere Freundschaftsbeziehungen entwickeln? Bleiben sie eine private Angelegenheit, oder bestimmen freundschaftsartig organisierte Netzwerke künftig über gesellschaftlichen Erfolg, ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und kulturelle Innovationen? Die letzte Abteilung beschäftigt sich mit Phänomenen unserer Gegenwart, die schon heute mit dem zukunftsoffenen Potenzial von Freundschaft operieren: mit Crowdfunding und Real Life Super Heroes, mit Flashmobs oder dem Tier als einem denkbaren Freund fürs Leben.